Vorbereitung
Online-Begleitung für Freiwillige an Europas (Außen-)Grenzen
1. Erste Schritte & Grundlagen
Hier möchten wir dir helfen, ein Hilfs- oder Unterstützungsprojekt zu finden, das zu dir passt und bei dem du sinnvoll und nachhaltig mitarbeiten kannst. Außerdem soll dir diese Einheit die Grundprinzipien humanitärer Hilfe nahebringen und dich zur Reflexion über die Chancen und auch die Grenzen von humanitären Hilfsprojekten sowie deiner eigenen Freiwilligenarbeit anregen.
Nachhaltige Freiwilligenarbeit
Wir finden es super, dass du dich dazu entschlossen hast, mehr über die Möglichkeit der Freiwilligenarbeit im Bereich der humanitären Hilfe zu erfahren. Angebote für Freiwilligenarbeit existieren in großer Vielzahl. Unserer Ansicht nach ist es jedoch ungemein wichtig, dass du dich für ein Projekt entscheidest, bei dem du möglichst deinen Fähigkeiten und den Zielsetzungen des Projekts entsprechend mitwirken kannst. Daher solltest du dich vorab mit der Frage auseinandersetzen, wie du deinen Freiwilligendienst so nachhaltig wie möglich gestalten kannst. Um der Antwort auf diese Frage ein Stück näher zu kommen und damit gleichzeitig das passende Projekt für dich zu finden, stell dir vorab doch einmal die folgenden Fragen:
Was sind deine Stärken? Hast du besondere Fähigkeiten, die in Projekten der Freiwilligenarbeit hilfreich sein könnten?
Bedeutung für dich und das Projekt:- Du ersparst dir etwaige Über- oder Unterforderung in der Projektarbeit, was wiederum deine Arbeitsmoral langfristig stark beeinflussen kann.
- Du gibst deinem Team die Möglichkeit, dich möglichst gezielt und sinnvoll einzusetzen und dein Erfahrungswissen und deine mitgebrachten Fähigkeiten für das übergeordnete Ziel der Unterstützung von Menschen einzubringen.
Informiere dich in dieser Hinsicht genau über den Fokus des jeweiligen Projekts. Natürlich kann nicht immer garantiert werden, dass die dir zugeteilte Arbeit stets deinen Fähigkeiten entspricht oder du genau in dem von dir gewünschten Feld eingesetzt wirst. Eine solche Selbstreflexion kann dir aber zum einen bereits vorab bei der Wahl des richtigen Projekts behilflich sein. Zum anderen kann sie dir vor Ort die Kommunikation mit der Projektleitung erleichtern, und dieser dabei helfen, den für dich bestmöglichen Aufgabenbereich zu finden, in dem deine Mitarbeit am wirksamsten zum Einsatz kommen kann. Gleichzeitig musst du natürlich nicht vor einer Tätigkeit im Rahmen der Freiwilligenarbeit zurückschrecken, sollten dir auf Anhieb keine besonderen Fähigkeiten einfallen. Auch ohne spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten kannst du dich natürlich einbringen, sofern die jeweilige Tätigkeit kein spezifisches Wissen bzw. spezifische Fähigkeiten erfordert. Wir finden es an dieser Stelle wichtig, hervorzuheben, dass Freiwilligenarbeit natürlich immer vordergründig dem Projekt und dessen Empfänger*innen dienen soll.
Wie viel Zeit kannst du für den Einsatz in einem Projekt der Freiwilligenarbeit investieren?
Bedeutung für dich und das Projekt:
- Da manche Projekte eine Mindestaufenthaltsdauer vorschreiben oder empfehlen, kannst du hierdurch bereits solche Projekte herausfiltern, die für dich zeitlich nicht in Frage kommen.
- Je nach Projekt ist die Dauer deines Aufenthalts sehr relevant für bestimmte Projekte und Vorhaben. Nimm dir lieber nicht allzu viel vor, sondern überleg dir mit deinem Team, was in der Zeit deines Aufenthalts sinnvolle Aufgaben sein könnten. Da es meist um die direkte Arbeit mit Menschen geht, hab auch vor Augen, dass die Dauer von Aufenthalten sich auf Beziehungen auswirkt, woraus Verantwortungen entstehen.
Informiere dich in dieser Hinsicht genau über die empfohlene Dauer für ein Projekt und die entsprechende Begründung. Jede*r Freiwillige bedeutet für die Koordination vor Ort Organisationsaufwand und Einarbeitungszeit, sodass du meist erst nach einigen Tagen oder sogar Wochen einen wertvollen Beitrag für das Projekt leisten kannst und der reibungslose Ablauf des Projekts garantiert werden kann. Die Bestimmung der Aufenthaltsdauer liegt natürlich im Ermessen der Projektleitung und kann je nach Projektphase und Saison abweichen. Allerdings gilt grundsätzlich: Je mehr Zeit du für deinen Aufenthalt einplanen kannst, desto mehr Hilfe und Unterstützung bedeutet deine Mitarbeit für das Projekt. Bei sehr kurzen Aufenthalten stehen die auf deiner Seite entstehenden Reisekosten und der auf der Seite des Projekts stehende Organisationsaufwand in keinem Verhältnis zum effektiven Mehrwert. In diesem Fall könntest du dir stattdessen überlegen, potentiell investiertes Geld auch einfach an eine Organisation zu spenden oder den Aufenthalt für einen anderen Zeitpunkt zu planen.
Wie schätzt du deine eigene mentale und körperliche Belastbarkeit ein?
Bedeutung für dich und das Projekt:- Durch eine ehrliche Auseinandersetzung und Reflexion mit deiner Belastbarkeit vermeidest du, dass dich die Arbeit im Projekt auf Dauer überfordert und negativ auf deine Gesundheit auswirkt! Dabei gilt: Deine persönlichen Grenzen sind wegweisend und legitim!
- Hauptsächlich geht es natürlich um deine Gesundheit. Weiterhin ist diese Auseinandersetzung mit deinen persönlichen Grenzen aber auch wichtig, weil sie auch dem Projekt und deinem Team dienen kann, und im besten Fall von allen deutlich kommuniziert werden, um keinen Stress auszulösen. Dein psychisches und physisches Wohlbefinden liegt natürlich auch immer im Interesse aller Beteiligten. Es hat keinen Sinn, andere Menschen zu unterstützen, wenn es sich auf dich negativ auswirkt.
Informiere dich in dieser Hinsicht vorab z.B. durch Erfahrungsberichte von anderen Freiwilligen mit der Situation und möglichen Stressfaktoren vor Ort und versuche anschließend zu evaluieren, wie du hierauf außerhalb deines gewohnten Umfelds reagieren würdest (mehr dazu auch in Themenblock 2 und 7). Insbesondere die Arbeit in der Hilfs- und Unterstützungsarbeit mit besonders schutzbedürftigen Menschen in Krisensituationen kann für Freiwillige sehr belastend sein. Zudem erfordert die Projektarbeit meist ein hohes Maß an Eigenständigkeit und einen hohen zeitlichen Arbeitsaufwand. Um die Arbeit dennoch gut zu meistern, hilft es, sich hierüber vorab bereits Gedanken zu machen. Diesbezüglich kannst du auch mit Freund*innen und Familie sprechen und dir deren Einschätzungen einholen. Im Rahmen dieser Selbstreflexion können Faktoren wie dein Alter, mentale Vorbelastungen oder chronische Erkrankungen eine Rolle spielen, müssen es aber nicht.
Versuche bereits im Vorhinein, aber auch nach Beginn deines Aufenthalts deine Energiereserven einzuschätzen. Die Erfahrungen, die du bei der Arbeit machst und die Arbeitsumstände können auf Dauer durchaus mental belastend sein. Gleichzeitig aber wird in der schnelllebigen Freiwilligenarbeit häufig eine stetig hohe Motivation und Energie seitens der Freiwilligen erwartet. Anderswo gültige Arbeitsbedingungen werden hier teilweise nicht immer eingehalten. Um dich selbst zu schützen, kannst du bereits vorab mit der Projektleitung absprechen, in welchem Umfang deine Mitarbeit stattfinden kann, wann Pausen, wann Urlaub erforderlich ist, wenn du dies für sinnvoll hälst. Bei Langzeitaufenthalten empfiehlt es sich - in deinem Sinne, aber auch im Sinne des Projekts - nach etwa drei Monaten die Möglichkeit der Verlängerung ggf. gemeinsam mit der Projektleitung zu evaluieren.
Welche Erwartungen hast du an das Projekt und den Einfluss deiner Arbeit vor Ort? Was genau möchtest du unter dem Anspruch, andere Menschen zu unterstützen bzw. ihnen zu helfen, erreichen?
Bedeutung für dich und das Projekt:- Die persönlichen Wünsche und Erwartungen zu reflektieren, kann dir über die Projektarbeit hinweg motivieren und dich bei verschiedenen Fragen und Herausforderungen daran erinnern, warum du dich solidarisch mit deinen Mitmeschen zeigen willst.
- Dein Team, das Projekt und die Menschen, mit denen ihr zusammen arbeitet, profitieren von einem offenen und transparenten Umgang. Sei dir allerdings bewusst, dass deine eigenen Erwartungen und Ziele nicht zwingend umgesetzt werden - die Einzelperson kann in einem System von Ungerechtigkeiten meist nur relativ wenig erreichen.
Auch wenn Freiwilligenarbeit in erster Linie dem Projekt und dessen Empfänger*innen dienen soll, ist es sinnvoll anzuerkennen, dass du als Freiwillige*r persönliche Ansprüche an die Arbeit im Projekt hast und bestimmte Vorstellungen und Ziele damit verbindest. Diese anzuerkennen und im Vorhinein, sowie während deines Aufenthalts vor Augen zu führen, kann sowohl dir persönlich als auch dem Projekt oder deinem Team an sich dienen, auch wenn diese nicht immer erfüllt werden können. Rede mit deinem Team darüber - meistens geht es vielen ähnlich.
Grundlagen der humanitären Hilfe
Humanitäre Hilfe kann zusammengefasst werden, als solche Maßnahmen zum Schutz und zur Versorgung von Menschen in einer humanitären Notlage (medizinische Katastrophen, Naturkatastrophen, politische Konflikte etc.), die über eine Erstversorgung hinausgehen.
Humanitäre Hilfe wird sowohl von staatlichen als auch nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt und finanziert. Sie kann sowohl zur akuten Linderung von Not nach Krisenfällen dienen als auch längerfristige Ziele verfolgen, beschränkt sich meist aber auf Ersteres.
Das Fundament der humanitären Hilfe sind die vier humanitären Prinzipien: Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit. Sie sind auf die Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zurückzuführen, die auf der Basis des humanitären Völkerrechts entwickelt wurden. Die ersten drei genannten Prinzipien wurden mit der Resolution 46/182 der VN-Generalversammlung aus dem Jahr 1991 als Basis der weltweiten humanitären Hilfe anerkannt. Das letztgenannte Prinzip wurde durch die Resolution 58/114 aus dem Jahr 2003 ergänzt.
Die Prinzipien der humanitären Hilfe sind wichtig, um Zugang zu den betroffenen Gruppen aufbauen und diesen halten zu können, egal um welche Form der Katastrophe oder des Konflikts es sich handelt. Mit diesen Grundsätzen übereinzustimmen und sie zu wahren ist ein essenzielles Element für effektive humanitäre Hilfe und deren Koordination. Das Auswärtige Amt definiert die oben genannten vier Prinzipien wie folgt:
- Das Prinzip der Menschlichkeit gebietet, menschliches Leid wo immer möglich zu lindern und dabei den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
- Das Prinzip der Neutralität verbietet es, in Konfliktsituationen bestimmte Seiten zu bevorzugen oder für eine Seite Partei zu ergreifen. Die Wahrnehmung von Hilfsorganisationen als neutral ist entscheidend für die Sicherheit der Hilfeleistenden.
- Das Prinzip der Unparteilichkeit besagt, dass sich die Hilfe allein nach der Bedürftigkeit richtet. Sie darf nicht zwischen Bevölkerungsgruppen oder etwa aufgrund von Alter, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit diskriminieren.
- Das Prinzip der Unabhängigkeit zieht eine Trennlinie zwischen humanitären Zielen einerseits und politischen, militärischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Zielen andererseits. Der einzige legitime Zweck der humanitären Hilfe ist es, Leben zu retten und Leiden zu lindern.
Darüber hinaus gelten einige weitere Grundsätze, die im Rahmen der humanitären Hilfe Beachtung finden:
- Humanitäre Hilfe wird bedarfsorientiert geleistet, d.h. die Hilfeempfänger*innen werden nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien ausgewählt.
- Nach dem Subsidiaritätsprinzip trägt die Regierung des betroffenen Staates die Hauptverantwortung für den Schutz ihrer Bevölkerung. Internationale humanitäre Hilfe greift erst dann ein, wenn die Regierung dieser Aufgabe nicht mehr ausreichend nachkommen kann oder will.
- Nach dem Prinzip der Schadensvermeidung ("do no harm") sollen negative Auswirkungen der humanitären Hilfe – beispielsweise auf die Umwelt oder die Gleichstellung – vermieden werden. Auch Schutzmaßnahmen etwa vor sexueller Gewalt oder Menschenhandel sind zentraler Bestandteil der Hilfe.
Sei dir vor Beginn deines Aufenthalts in einem Projekt der humanitären Hilfe bewusst, was mit der Hilfe vor Ort erreicht werden soll und was sie wiederum nicht leisten kann und soll. Diese Auseinandersetzung kann - aus unserer Perspektive frustrierend sein - da in der humanitäre klare Grenzen gesetzt werden, die beispielsweise nicht in politische Forderungen zu übersetzen sind. Wenn du in einem rein humanitären Projekt bist, versuche dich an Folgenden Grundsätzen zu orientieren:
Was soll und kann humanitäre Hilfe leisten?
- Humanitäre Hilfe soll der Unterdrückung, Vertreibung und Gewalt ein Zeichen der Menschlichkeit entgegensetzen.
- Humanitäre Hilfe soll Verletzungen des humanitären Völkerrechts öffentlich machen und so den Menschenrechten, den Bestimmungen zum Schutz von Geflüchteten und den elementaren Prinzipien humanitärer Arbeit (wieder) Respekt verschaffen und hierdurch gleichzeitig den Hilfsbedürftigen eine Stimme verleihen.
- Humanitäre Hilfe muss bedingungslos geleistet werden.
- Humanitäre Hilfe soll die Menschenwürde stets hochhalten, d.h.
- Menschen nicht auf ihr Elend und ihre Not reduzieren und sie nur noch als Hungernde, Geflüchtete, Frierende, vulnerable Gruppen betrachten.
- Hilfesuchende nicht entmündigen, also fördern, dass sie an die eigene Kraft glauben und die eigenen, fast immer vorhandenen Selbsthilfekräfte mobilisieren.
- Humanitäre Hilfe soll vergessene Katastrophen in Erinnerung rufen und nicht nur dort helfen, wo die Kameras hingehalten werden; sie soll eine Öffentlichkeit herstellen und das Bewusstsein der Gesellschaft dafür fördern, dass auch in strategisch uninteressanten, vergessenen Teilen der Welt Menschen leiden und Hilfe geleistet werden muss.
- Humanitäre Hilfe soll nicht nur kurzfristig das Überleben sichern, sondern auch die Lebensumstände insgesamt verbessern, Hilfe leisten, die sich mit der Selbsthilfe der Betroffenen verbindet und die Ursachen für die Notlagen bekämpfen, dabei aber keine langfristigen Abhängigkeiten schaffen, sondern nachhaltige Entwicklung fördern, die den Menschen langfristige Perspektiven vermittelt.
Was soll und kann humanitäre Hilfe nicht leisten?
Wo sind ihre Grenzen?
- Humanitäre Hilfe möchte keinen Frieden schaffen, wo politische und militärische Interessen andere Ziele verfolgen; ohne politische Lösungen kann die Nothilfe auf diesem Feld nichts bewegen. Die Hilfe darf kein Alibi sein für verfehlte staatliche Machtpolitik oder politische Unfähigkeit zur Lösung von Konflikten. Humanitäre Hilfe kann nicht diejenigen aus der Verantwortung entlassen, die wirklich etwas bewirken können: Staatsoberhäupter, Politiker*innen, Diplomat*innen, Parlamentarier*innen, vor allem aber die für den Konflikt Verantwortlichen.
- Humanitäre Hilfe kann nicht für die Durchsetzung des internationalen Völkerrechts in dem betreffenden Gebiet sorgen. Sie kann die Zivilbevölkerung in wenigen Fällen wirklich schützen, wenn Krieg und offene Gewalt vorherrschen.
- Humanitäre Hilfe darf nicht dazu benutzt werden, das außenpolitische Image eines Landes aufzubessern.
- Humanitäre Hilfe kann langfristige Entwicklungsbemühungen nicht ersetzen: eine kontinuierliche, an den langfristigen Bedürfnissen eines Landes orientierte politische Zusammenarbeit kann nicht ersetzt werden.
Entstehungsgeschichte der humanitären Hilfsprojekte
Im Zuge des erhöhten Hilfebedarfs, der insbesondere seit Sommer 2015 durch das Aufkommen von mehreren hunderttausenden Geflüchteten an den EU-Außengrenzen entstanden ist, haben sich innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl an sog. “Ad Hoc Grassroots” Organisationen gebildet, die seitdem an verschiedenen “Hot Spots” und Lagern humanitäre Hilfe leisten. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass die jeweiligen Regierungen den erhöhten Bedarf an humanitären Hilfeleistungen nicht decken konnten und können.
Aktuelle Funktion der Organisationen
Seit dieser Zeit nehmen die „Graswurzel-Organisationen“ neben weiteren etablierten nicht-staatlichen und staatlichen Organisationen eine bedeutende Rolle im System der humanitären Hilfe ein. Auch das von dir ausgewählte Projekt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Projekt einer solchen Graswurzel-Organisation sein und ist auch in diesem Kontext zu betrachten. Viele Organisationen sind aus dem akuten Bedarf heraus und durch zivilgesellschaftliche Intervention auf Privatspendenbasis entstanden, sodass die Organisationsstrukturen hauptsächlich rudimentär und auf kurzfristige Symptombekämpfung ausgerichtet wurden. Seit einigen Jahren bemühen sich Organisationen angesichts der weitgehend unveränderten Situation jedoch zunehmend, ihren Fokus auf eine eher längerfristige Begleitung der schutzsuchenden Menschen auszurichten.
Reflektion der Situation
Mit Blick auf humanitäre Hilfs- und Unterstützungsprojekte für Menschen auf der Flucht ist aus unserer Sicht wichtig zu bedenken, dass zivilgesellschaftlich organisierte humanitäre Hilfe grundsätzlich keine langfristige Lösung für das Problem von Schutzsuchenden an den europäischen Außengrenzen sein kann. Trotzdem stellt sie derzeit aus unserer Sicht sowie aus der Sicht zahlreicher anderer zivilgesellschaftlicher Akteur*innen eine der wenigen Möglichkeiten dar, politisch legitimierte Versorgungslücken annähernd zu schließen und ein ausbleibendes Handeln staatlicher Akteur*innen aufzufangen. Gleichzeitig zeigen einige der Projekte, wie eine solidarische Unterstützung von Menschen abseits von paternalistischen Projektstrukturen möglich ist.
Finde dein Projekt und weitere Informationen
Was solltest du bei der Suche nach einem Projekt beachten?
Es gibt zahlreiche Projekte, die mit ihrer Arbeit People on the Move an den EU-Außengrenzen unterstützen und dabei auf das Engagement von Freiwilligen angewiesen sind. Aus unserer Perspektive gibt es einige Punkte, die du bei der Wahl deines Projektes beachten solltest:
1.Unterstützungsarbeit sollte unmenschliche Grenzpolitiken kritisieren
Die Unterstützungsarbeit mit People on the Move ist in ein Grenzsystem und die EU-Migrationspolitik eingebettet, die zu unmenschlichen Zuständen in und an den EU-Grenzregionen führen (siehe Blogpost). Wie könnt ihr ein Projekt erkennen, das verantwortungsbewusst mit diesem politischen Kontext umgeht? Organisationen, die staatliche Aufgaben beispielsweise in Lagern übernehmen, sollten hinterfragen, wie durch diese Arbeit die Lagerpolitik unterstützt wird und Staaten sich so aus der Verantwortung ziehen können. Projekte beinhalten in ihrer Ausgangslage immer auch das Aufzeigen von Missständen und eine Kritik dieser. Die daraus resultierende Unterstützung kann und sollte nicht unpolitisch bleiben, sondern ergänzt werden durch Aktionen (wie Kampagnen, Informationsveranstaltungen, Monitoring), die auf eine grundlegende politische Veränderung abzielen.
2. Unterstützungsarbeit sollte kein Selbstzweck sein
Projekte, die lebensnotwendige Unterstützungsarbeit leisten und durch Spenden finanziert werden, können keine langfristige Lösung sein. Die Arbeit vor Ort sollte ausschließlich kurz- bis maximal mittelfristig angelegt sein und dabei die Verantwortung der Staaten konstant thematisieren. Denn NGOs sollten nicht die Rolle des Staates übernehmen, sondern den Staat dazu bewegen, seine Arbeit zu machen und seiner Verantwortung gerecht zu werden. Freiwilligenarbeit sollte als Überbrückungsmaßnahme angesehen werden. Achte darauf: Die politische Situation an den EU-Außengrenzen verändert sich konstant, deshalb sollten auch Projekte regelmäßig reflektieren, ob die Arbeit noch sinnvoll und notwendig ist. Außerdem sollten Projekte auch zum Ziel haben, dass zu einer Veränderung beigetragen wird, in der sie nicht mehr gebraucht werden.
3. Unterstützen statt helfen
Hilfe impliziert immer Hierarchien. Statt Hilfe anzubieten, sollten Projekte den Ausgangspunkt haben, Menschen zu unterstützen, die genauso komplex und fähig sind wie du, aber in der Situation schlicht weniger Zugang zu Ressourcen (Geld, Kontakten, Bürokratie- und Sprachkenntnisse, etc.) haben. Achte darauf: Werden Menschen - in der Öffentlichkeits- oder Projektarbeit - auf den Status eines hilflosen und bemitleidenswerten ‘Flüchtlings’ reduziert, der oder die Hilfe durch weiße Europäer:innen braucht? Wie wird entschieden, was ein sinnvolles Projekt ist und welche Form der Unterstützung benötigt wird? Diese Entscheidungen sollten in Abstimmung mit den betroffenen Menschen getroffen werden, die ihre eigene Situation am besten kennen.
Texte zum Weiterlesen:
- Brückenwind: "Warum freiwillige Unterstützungsarbeit an den EU-Außengrenzen notwendig und zwingend politisch ist”
- Shirin Tinnesand (2020): Wenn die Hilfe nicht mehr hilft.
- Maximilian Pichl (2021): Das Scheitern der Hilfe. Wie Hilfsorganisationen das Hotspot-System stabilisieren. In: Der “Moria-Komplex”. Verantwortungslosigkeit, Unzuständigkeit und Entrechtung fünf Jahre nach dem EU-Türkei-Abkommen und der Einführung des Hotspot-Systems. Seite 18-22.
- Phillip Lemmerich(2021): Hilfe für Millionen oder Millionen für Hilfe= NGOs in der Kritik. Deutschlandfunk Kultur
- Joris Fricker (2021): Der Fall Moria und die Frage nach der Hilfe. Bericht zur Konferenz ‘Rekonstruktion der Welt’ von medico international Deutschland.
Wo kann ich ein Projekt finden?
Bei der Suche nach einem Projekt, bei dem du geflüchtete Menschen an den europäischen Außengrenzen unterstützt, helfen dir mehrere Informationsseiten und Bewerbungsportale. Hier findest du beispielsweise Informationen zu Projekten:
- Volunteering 4 Refugees: Eine Webseite zur Unterstützung von Freiwilligen, die zum größten Teil über Hilfsprojekte in Griechenland bzw. offene Stellen für Freiwillige informiert. Die jeweiligen Organisationen schreiben hier ihre Freiwilligen-Suche aus, es gibt eine Liste sämtlicher aktiver Organisationen, ein 'Volunteer-Starter-Kit' und anderes.
Hier geht's zur Webseite - Indigo Volunteers: Eine Website, die es Freiwilligen erleichtern soll, das richtige Projekt zur Unterstützung Geflüchteter zu finden und sie mit den jeweiligen Organisationen vernetzt. Die Website unterstützt Organisationen in Griechenland, Frankreich, der Türkei, Bosnien und Herzegowina, Serbien und dem Libanon.
Hier geht's zur Webseite
Darüber hinaus gibt es viele Websites, auf denen du wichtige Dokumente für interessierte Freiwillige finden kannst:
- How to Volunteer in Greece (Informationen für Freiwillige in Griechenland)
Hier geht's zum Dokument - Refugee Crisis Reality Check: Guter Überblick über die Erwartungen an Freiwillige, mit einem Fokus auf mentale Vorbereitung. Zusammengestellt von Campfire Innovation (Stand: Sommer 2017)
Hier geht's zum Dokument
Auch auf Facebook findest du einige Gruppen, denen du beitreten kannst. In diesen Gruppen werden u.a. generelle Fragen beantwortet, Informationen ausgetauscht und Freiwillige auf Projekte aufmerksam gemacht, die Unterstützung benötigen. Es gibt verschiedene regionale Facebook-Gruppen, hier sind einige Beispiele:
- Information Point for Greece Volunteers:
Hier geht's zur Gruppe - Information Point for Lesvos Volunteers:
Hier geht's zur Gruppe - Information Point for Turkey Volunteers:
Hier geht's zur Gruppe
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