Praktische Arbeit

Online-Begleitung für Freiwillige an Europas (Außen-)Grenzen

 

8. Fundraising

 

Fundraising klingt im ersten Moment vielleicht etwas groß und abschreckend für dich. Doch auch im Kleinen und ohne Erfahrung kannst du Spenden sammeln und damit Organisationen unterstützen, die dringend auf private Spenden angewiesen sind. Allerdings ist es auch beim Fundraising wichtig, sich selbst und die Darstellungen, die man verwendet, zu hinterfragen, um zum Beispiel keine menschenunwürdigen Bilder zu reproduzieren.
 
 
 
 

Fundraising & Unterstützungsarbeit

Warum ist Fundraising im Zusammenhang mit Unterstützungsarbeit wichtig?

  • Die zivilgesellschaftlich organisierte Unterstützung von Menschen auf der Flucht mit lebensnotwendigen Gütern, Rechts- bzw. medizinischer Beratung, Bildungs- und Freizeitaktivitäten usw. kostet Geld. Es fallen nicht nur die laufenden Kosten des Projekts an, sondern auch Kosten in der Verwaltungsarbeit der Organisationen oder auch ganz einfach deine Reise- und Versorgungskosten.
  • Natürlich sollte all diese notwendige Versorgung eigentlich nicht durch private Spenden aufgefangen werden. Die Realität sieht derzeit allerdings leider so aus, dass wenig bzw. keinesfalls ausreichend öffentliche Gelder zur Verfügung stehen, um die Bedarfe annähernd zu decken.
  • Damit die Kosten nicht an wenigen bzw. immer den gleichen Einzelpersonen hängen bleiben, empfinden wir es als durchaus sinnvoll, im Rahmen deiner Unterstützungsarbeit auch Geldspenden für die Organisation, mit der du arbeitest, zu sammeln.
  • Fundraising ist natürlich freiwillig. Wenn du dich damit nicht wohl fühlst, ist das sehr verständlich. Trotzdem kann es sinnvoll sein, sich damit auseinandersetzen, denn es gibt viele relativ einfache Möglichkeiten und Ressourcen, um Spenden zu sammeln und deine Mitmenschen an der Unterstützung des Projekts teilhaben zu lassen, da Geldspenden derzeit die einfachste und niedrigschwelligste Version der Unterstützung darstellen.
  • Falls du mit dem Gedanken spielst, Sachspenden zu sammeln, sprich vorher unbedingt mit deiner Organisation, was genau und in welchen sinnvollen Mengen gebraucht wird.

 

Fallstricke / Wiederkehrende Probleme

  • Was sind deine Absichten als Freiwillige*r oder Unterstützer*in? Frage dich immer, bevor du etwas in deinen sozialen Netzwerken teilst, wieso du das tust. Bittest du auf deinen sozialen Netzwerken um Spenden, um dich zu solidarisieren oder hast du vielleicht ganz andere Beweggründe? Inszenierst du dich als Retter*in? Die Antworten auf diese Fragen werden dein Fundraising beeinflussen und somit auch das potenziell kritische Bild, das du von der Situation vor Ort zeichnest. 
  • Gerade, wenn du deine Arbeit in den Vordergrund rückst und nicht die Situation von Geflüchteten, passiert es schnell, dass es um dich geht anstatt um die Umstände, auf die du aufmerksam machen willst. 
  • Auch wenn der Fokus nicht bei dir und deiner Arbeit liegt, achte auf die Darstellung der Menschen. Sie sind keine passiven Opfer, die “beschützt” und von dir aus ihrem Leid “befreit” werden müssen. Stattdessen ist ein differenziertes Bild von aktiven Menschen, die strukturell diskriminiert werden, wichtig. Denn People of Colour werden häufig als Hilfe-Empfangende dargestellt anstatt in einer aktiven Position. Auch als Spender*innen werden sie eher selten angesprochen. Stattdessen werden meistens weiße Personen adressiert, die rassifizierende und stereotypisierende Bilder vermeintlich bräuchten, um etwas zu empfinden - und daraufhin zu spenden.
  • Gute Intentionen, wie beispielsweise das Schaffen von Bewusstsein über die Situation von Geflüchteten oder das Spendensammeln, sind keine Rechtfertigung für die Verletzung der Würde oder Privatsphäre anderer Menschen oder die Überschattung bzw. Missachtung ihrer Selbstwahrnehmung.

Quelle: u.a. glokal e.V. (2017): Die Spitze des Eisbergs. Spendenwerbung der internationalen Hilfsorganisationen - Kritik und Alternativen (DE)

 

Worauf muss ich besonders achten?

  • Grundsätzlich sind deiner Kreativität beim Fundraising keine Grenzen gesetzt, persönliche Gespräche sind aus unserer Erfahrung häufig der erfolgreichste Weg fürs Spendensammeln.
  • Trau dich ruhig, nach einer Spende für das Projekt, in dem du arbeitest, oder für die Finanzierung deiner eigenen Aktivität zu fragen. Auch wenn nach Geld fragen häufig erst einmal unangenehm ist, musst du dich dabei nicht unwohl fühlen! Die Notwendigkeit für diese Spenden resultiert schließlich aus einer Reihe von strukturellen Ungerechtigkeiten und Problemen, die nichts mit dir zu tun haben. Dagegen anzukämpfen, ist eine wichtige Sache, und andere Menschen - ggf. mit mehr finanziellen Ressourcen als du sie hast - darin einzubeziehen ebenso. Das Worst-Case-Szenario ist, ein Nein zu kassieren und auch das ist vollkommen in Ordnung.
  • Achte bei deinen Spendenaktionen auf die Grundsätze der Öffentlichkeitsarbeit
 
 

Fundraising Optionen

Was sind die verschiedenen Möglichkeiten des Fundraisings?

Spenden kannst du auf vielen verschiedenen Wegen sammeln - werde kreativ oder überlege dir, was dich dazu bewegen könnte, andere Personen und Projekte mit einer Spende zu unterstützen. Wir haben hier ein paar Vorschläge für dich gesammelt, wie du zum Einen in deinem Freund*innen- und Bekanntenkreis, zum Anderen aber auch in der Öffentlichkeit Spenden für das Projekt sammeln kannst.

Fundraising Im Freund*innen- und erweiterten Bekanntenkreis

  • Je näher dir die Person steht, desto wahrscheinlicher ist eine Spende, wenn es die finanzielle Situation der Person erlaubt. Gleichzeitig ist bei persönlichen Berichten die Gefahr größer, dass du dich (ungewollt) als weiße Retter*in inszenierst.
  • Eine einfache Möglichkeit für Spendenaufrufe in deinem Freund*innen- und Bekanntenkreis sind zum einen persönliche Gespräche mit den Menschen in deinem nahen Umfeld. Diese haben den Vorteil, dass du ausführlich von deinem Anliegen berichten kannst und ein sehr persönlicher Bezug entsteht, der die Erfolgschancen deiner Spendenkampagne erhöht. Außerdem kannst du der Person direkt Antworten auf mögliche Fragen geben.
  • Da du nicht alle deine Mitmenschen persönlich treffen kannst, bietet es sich an, zum Telefon zu greifen und deine Freund*innen oder Familie anzurufen. Du wirst sehen, dass ein Telefonat viel erfolgversprechender sein kann als ein Post, eine Nachricht oder Mail.
  • Eine Rund-Mail mit einem informativen Text über das Projekt sowie einem konkreten Spendenaufruf zu versenden, in der du dich bereit erklärst, auch für Rückfragen zur Verfügung zu stehen, kann natürlich trotzdem einen tollen Effekt haben. Auf diese Weise kannst du viele deiner Mitmenschen gleichzeitig erreichen, ohne sie einzeln durchzutelefonieren.
  • Bei Geburtstagsfeiern, verschiedenen Veranstaltungen oder an Versammlungsorten, an denen du dich häufig aufhältst (wie zum Beispiel in der Schule oder Uni) bietet es sich außerdem an (auch über längere Zeit), eine Spendenbox mit einem knappen Erklärungstext aufstellen. Dabei ist es sinnvoll, in einer kurzen Ansprache auf die Spendenaktion aufmerksam zu machen und für mögliche Rückfragen vor Ort oder anderweitig erreichbar zu sein.
  • Erzähl auch gerne bei deinem Verein, sei es Sportverein, Musikschule oder ähnliches, von deinem Vorhaben und frage dort nach einer Geldspende und/oder nach Sachspenden für dein Projekt.

  • Als Dankeschön kannst du all deinen Spender*innen zum Beispiel den Eintrag in einem E-Mail-Verteiler oder einen Blog vorschlagen, wo du sie über die Arbeit und Situation vor Ort informierst.
Fundraising in der Öffentlichkeit

  • Wenn du mit deinem Spendenaufruf über deinen persönlichen Bekanntenkreis hinaus Menschen erreichen möchtest, kannst du beispielsweise bei lokalen Zeitungen oder Radiosendern mit der Bitte um die Verbreitung eines konkreten Spendenaufrufs anfragen.
  • Grundsätzlich bieten sich aber vor allem verschiedene Optionen im Internet an.
    Über verschiedene soziale Medien, wie z.B. Facebook oder Instagram, lassen sich solche Spendenaktionen erstellen, die du veröffentlichen und dann verbreiten kannst. Für einen größeren Erfolg, frag deine Freund*innen, die Spendenaktion auf ihren Kanälen jeweils zu verbreiten. Es gibt außerdem verschiedene Fundraising-Plattformen, wie z.B. GoFundMe oder Betterplace. Informiere dich hier allerdings vorab genau über die Nutzungsbedingungen, da teilweise Gebühren anfallen können.
  • Bei diesen Optionen des öffentlichen Fundraisings ist es besonders wichtig, dass du viel Vorarbeit in deinen Informationstext steckst, und hier knapp und griffig alle relevanten Informationen zur Verfügung stellst. Rückfragen sind bei öffentlichen Spendenaktionen meist schwierig und du solltest mögliches Misstrauen oder Unsicherheiten der Empfänger*innen umgehen.
  • Da der persönliche Bezug fehlt, solltest du dir außerdem eine eingängige, Aufmerksamkeit erweckende Überschrift ausdenken.
  • Bei dieser Form des Fundraisings ist es außerdem sehr zentral, vorab eine genaue Zielsumme mit einem spezifischen Verwendungszweck festzulegen, die du dann konkret kommunizierst.

  • Wie in der Öffentlichkeitsarbeit generell oder beim Fundraising im eigenen Umkreis, ist es auch hier wichtig, zu hinterfragen, was für ein Bild man von sich, der Situation von Geflüchteten und Geflüchteten selbst vermittelt.
 
 

Den richtigen Zeitpunkt wählen

Warum ist der Zeitpunkt der Spendenaktion relevant?

Der Zeitpunkt bzw. Zeitraum deiner Spendenaktion bringt verschiedene Vor- und Nachteile mit sich, die du für deine Ziele erwägen solltest. Wir haben dir hier zur Orientierung die verschiedenen Optionen einer Fundraisingaktion vor, während oder nach deiner Freiwilligen- und Unterstützungsarbeit aufgelistet.

Fundraising vor Beginn deiner Arbeit

  • Wenn du bereits vor Beginn deiner Arbeit für die Organisation, bei der du tätig sein wirst, Spenden sammeln möchtest, ist es wichtig, dich genau über aktuelle Bedarfe und Ausgaben des Projekts zu informieren. Kontaktiere also z.B. die Projektleitung und frage nach, für welche Projekte genau aktuell finanzielle Unterstützung benötigt wird. Häufig werden auch Sachspenden benötigt, die du vorab in deinem Heimatort organisieren und bei deiner Anreise mitbringen kannst.
  • Da du hier noch nicht aus Erfahrung berichten kannst, ist es meistens sinnvoll, einen kurzen Infotext zusammenzustellen, in dem du das Projekt und dessen Ziele beschreibst und erklärst, für welchen Zweck derzeit Spenden benötigt werden.

Fundraising während deiner Arbeit

  • Diese Option erweist sich meistens als die Einfachste, da sie am authentischsten ist. Da du dich im Projekt befindest, kannst du deinen Mitmenschen direkt von deinen persönlichen Eindrücken berichten und sie so motivieren, das Projekt zu unterstützen.
  • Wenn du während deiner Arbeit im Projekt einen Spendenaufruf startest, ist es meist wertvoll, persönliche Einblicke in deinen Arbeitsalltag, sowie eine Bewertung der Situation zu geben, die vielleicht die Dringlichkeit bestimmter Spendennotwendigkeiten verdeutlichen. Beachte hier unbedingt die Guidelines der solidarischen Öffentlichkeitsarbeit.
  • Wenn du Bilder verwenden möchtest, kläre dies immer mit der Projektleitung ab und beachte dabei Persönlichkeits- und Datenschutzrechte, schau auch hierzu nochmal in unsere Einheit zu Öffentlichkeitsarbeit.
Fundraising nach deiner Arbeit

  • Diese Option kann für dich eine gute Möglichkeit sein, das Projekt auch nach Beendigung deiner Unterstützungsarbeit weiterhin nachhaltig zu unterstützen, indem du die Arbeit weiterhin mit informierter Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseinsschaffung begleitest.
  • Vorteil des Fundraisings nach Beendigung deiner Arbeit ist, dass du jetzt einen guten Überblick über die Situation hast, viele Informationen weitergeben kannst und von persönlichen Eindrücken und Erlebnissen berichten kannst, während dir wieder alle Möglichkeiten des Fundraisings zur Verfügung stehen (nicht nur online).
  • Der persönliche Bezug zu dem Projekt ist wertvoll dafür, dass Menschen dir gerne ihre Spenden anvertrauen. Wenn du dich zum Beispiel entscheidest, auf Veranstaltungen eine Spendendose aufzustellen, bietet es sich hier zum Beispiel an, einen kleinen Vortrag über die Situation vor Ort zu halten und dich für Fragen zur Verfügung zu stellen. Achte auch hier darauf, dich nicht als Retter*in darzustellen oder lade andere Menschen ein, zu berichten.
 
 
Fragen? Kritik? Anmerkungen? Ergänzungen?
Wir freuen uns sehr über Rückmeldungen und hilfreiche Hinweise von Euch! Schreibt uns einfach eine Email: kontakt@brueckenwind.org

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