Frachcollective hat einen Bericht über die aktuelle Lage in Bosnien und Herzegowina verfasst. Das Kollektiv unterstützt People on the move (PoM) [1] mit grundlegenden Lebensmitteln, wettergerechter Kleidung und Schlafsäcken, sowie Holz zum Heizen und Kochen. Frachcollective ist seit Ende 2020 in Bihać vor Ort und schildert in diesem Bericht die aktuelle Situation schutzsuchender Menschen in Bosnien und Herzegowina und ordnet diese in die europäische Migrations- und Grenzpolitik ein.
Anfang Oktober 2021 veröffentlichten journalistische Recherche-Teams (u.a. vom ARD-Studio Wien, ARD-Magazin MONITOR, SPIEGEL und Lighthouse Reports) Videoaufnahmen – „Operation Korridor“: Recherchekooperation belegt schwere Misshandlungen von Flüchtenden an EU-Außengrenzen, Pressemeldung vom 06.10.2021 – Monitor Extra – Monitor – Das Erste (wdr.de) – in denen u.a. zu sehen ist, wie Mitarbeitende der kroatischen Polizei Flüchtende mit Schlagstöcken über die Grenze aus der EU hinausgeprügelt und liefern somit den Videobeweis für die bereits vielfach dokumentierten Menschenrechtsverletzungen an der kroatischen EU Außengrenze. Das Border Violence Monitoring Network, ein Bündnis verschiedener Organisationen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Pushbacks und die damit einhergehende Gewalt entlang der sogenannten Balkanroute von Griechenland über Kroatien bis nach Italien zu dokumentieren. Zwischen 2017 und 2020 hat das Netzwerk 892 Fälle von Pushbacks mit 12.654 Betroffene gesammelt und macht damit deutlich: Pushbacks sind keine Einzelfälle, sondern eine systematische Praxis, um flüchtende Menschen aus der EU fernzuhalten. Der Dänische Flüchtlingsrat (DRC) berichtete allein im Jahr 2020 von 16.000 illegalen Zurückweisungen aus Kroatien, von denen lediglich 8,9% ohne Gewaltanwendung abliefen. In einem Großteil der dokumentierten Fälle berichten die Betroffenen von brutaler, menschenverachtender Gewalt und Demütigung. Routinemäßig werden Menschen, bevor sie zurück nach Bosnien und Herzegowina geschickt werden, mit Schlagstöcken, Faustschlägen oder Elektroschockwaffen traktiert. Menschen kehren mit Hundebissen, Verletzungen durch Tritte oder Metallstangen nach Bihać zurück, darüber hinaus haben BVMN und DRC auch Fälle sexualisierter Gewalt dokumentiert. Um flüchtenden Menschen einen weiteren Versuch, die Grenze zu überqueren so schwer wie möglich zu machen, werden ihnen Handys, Geld, aber auch Kleidung, Schuhe und Schlafsäcke abgenommen.
Während in Bihać hauptsächlich Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Kaschmir und Bangladesch ankommen, fliehen unter anderem auch Menschen aus der Türkei, dem Iran, Syrien und nordafrikanischen Staaten über Bosnien und Herzegowina. Durch die Aufrüstung der europäischen Außengrenzen und illegale Pushbacks sitzen viele Menschen in Bosnien und Herzegowina fest. Die EU entledigt sich so ihrer Verantwortung und überlässt es wirtschaftlich und politisch von ihr abhängigen Drittstaaten, die sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu tragen.
Im langen Sommer der Migration zwischen 2015 und 2016 kamen hunderttausende Menschen über die sogenannte Balkanroute, von der Türkei und Griechenland über Nordmazedonien nach Serbien und von dort über Ungarn und Kroatien weiter nach Österreich und Deutschland. Bosnien und Herzegowina entwickelte sich erst 2018, mitunter durch die verstärkte Militarisierung und Kontrolle der Grenzen, zum vielfach genutzten Transitland. Um in einem EU-Staat Asyl zu beantragen, bleibt fliehenden Menschen in den meisten Fällen nur die Möglichkeit, die Grenze auf irregulärem Wege zu überqueren – Pushbacks verhindern auch diesen ohnehin schon erschwerten Zugang zum Asylsystem. Durch das Verbot der Kollektivausweisung und das non-refoulement Prinzip, die sowohl im europäischen als auch im internationalen Recht verankert sind, und bleiben Pushbacks illegal.
Bosnien und Herzegowina ist geprägt von dem noch nicht einmal 25 Jahre zurückliegenden Bosnienkrieg, dem Zerfall Jugoslawiens, sowie politscher Stagnation und wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Zahlreiche junge Menschen verlassen daher Bosnien und Herzegowina, um in den EU-Nachbarländern zu leben. Bosnien und Herzegowina selbst hat sich um den EU-Beitritt beworben.
Die derzeitige politische Lage ist weiterhin angespannt, vor allem wenn es um die Teilrepublik Srpska und Serbien geht. Bosnien und Herzegowina ist ein multiethnischer Staat, in dem zu einem mehrheitlichen Teil – knapp 50% – Bosniaken leben. Insgesamt haben rund 30% der Bevölkerung einen serbischen und etwa 15% einen kroatischen Hintergrund. Milorad Dodik, Präsidentschaftsmitglied und Oberhaupt der serbisch dominierten Entität Republika Srpska schürt Abspaltungsbestrebungen, die vor allem in den vergangenen Monaten durch Pläne, aus gesamtstaatlichen Institutionen auszutreten, die Lage verschärft haben. Die politisch fragile Situation und Angst vor einem erneuten Aufflammen der Gewalt spiegeln sich auch in der Gesellschaft wider, in der die Erinnerungen und Trauma des Bosnienkriegs der 90er Jahre nach wie vor präsent sind.
Im April 1992 brach der sogenannte Bosnien-Krieg aus, nachdem in einem Referendum das unabhängige „Bosnien und Herzegowina“ ausgerufen worden war. Während eine Mehrheit der in Bosnien lebenden Serb*innen den Verbleib im jugoslawischen Staat befürwortete, riefen zahlreiche bosnisch-serbische Politiker*innen eine „serbische Republik“ aus. Auch die bosnischen Kroat*innen strebten eine Teilung des Landes an. Es folgte ein Krieg, welcher mehr als 100.000 Tote forderte und in dem über 2 Millionen Menschen vertrieben wurden. Erst nach dem Aufschrei der Öffentlichkeit und dem Bekanntwerden des Genozids von Srebrenica kam es vor allem durch die Vermittlung der USA und der EU zu einem erzwungenen Friedensschluss, der mit dem Dayton-Friedenabkommen formalisiert wurde. Dieses ist vor allem durch seine Entstehung und die in ihm angelegte institutionelle Fremdbestimmung Ausdruck eines westlichen Machteinflusses. Es regelte die Unterteilung des Landes in die Entitäten der Föderation Bosnien und Herzegowina, sowie der Republika Srpska, beschlossen mit dem Ziel der Beteiligung der an die ethnische Zugehörigkeit geknüpften Kriegsparteien. Im Endeffekt entstand so ein komplexer und gelähmter Regierungsapparat mit „über 160 Minister*innen, 3 Präsident*innen und über all dem das Amt des Hohen Repräsentanten, der oder die als Vertreter*in der internationalen Gemeinschaft erhebliche Macht hat – etwa Minister*innen abzusetzen oder Gesetze zu erlassen (Bühlen, 2021). Das Amt des Hohen Repräsentanten wird seit dem 1.August 2021 vom deutschen CSU-Politiker Christian Schmidt ausgeübt, der sich auf sicherheits- und migrationspolitische Fragen spezialisiert hat. Die komplexe politische Lage hat auch Auswirkungen auf die Situation von PoM. So berichtete die Organisation Medico International etwa, von Abschiebungen ohne die vorangegangene Prüfung des Asylstatus. Darüber hinaus führt die Internationale Organisation für Migration (IOM) sogenannten „freiwilligen“ Rückkehrprogramme durch, jedoch kann angesichts des fehlenden Zugangs zum Asylverfahren in Bosnien und Herzegowina und der Gewalt und Pushbacks an den EU-Außengrenzen von Freiwilligkeit keine Rede sein.
In Bosnien und Herzegowina fehlt es nicht nur am Zugang zu Schutz und langfristigen Perspektiven für flüchtende Menschen, sondern auch an offiziellen Versorgungsstrukturen. Auch regional wird die Verantwortung weitergeschoben: Da die Teilrepublik Srpska die Aufnahme von PoM kategorisch ablehnt, befinden sich die meisten Menschen im Kanton Una-Sana der an Kroatien grenzt. Um die 80% der PoM in Bosnien & Herzegowina halten sich im Kanton Una-Sana auf und starten von hier aus immer wieder Versuche, über Kroatien und Slowenien Italien zu erreichen. Im Kanton Una-Sana sind PoM meist menschenunwürdigen Lebensbedingungen ausgesetzt. In den offiziellen Camps, finanziert von der EU, fehlt es an Zugang zu medizinischer Versorgung, ausreichend Nahrung und – wie etwa im Camp Lipa – am Zugang zu Trinkwasser und Strom. Die Camps sind teilweise nicht mehr als zugige, überfüllte Hallen, Zelte oder Container, in denen Menschen Konflikten untereinander sowie Willkür und Gewalt durch Mitarbeitende der Sicherheitsfirmen ausgesetzt sind.
Lipa befindet sich 25 Kilometer östlich von der Stadt Bihać in einer abgeschiedenen, weitgehend unbesiedelten Gegend. Die isolierte Lage des Camps verdeutlicht, dass People on the Move bewusst aus dem öffentlichen Bild in Bosnien und Herzegowina gedrängt werden sollen. Zusätzlich werden schutzsuchende Menschen massiv in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, da ihnen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Einkaufsmöglichkeiten sowie das Recht auf Versammlungen auf öffentlichen Plätzen weitgehend verwehrt ist.
Ursprünglich als temporäre Unterbringung geplant, spitzte sich die Lage in Lipa im September 2020 zu, als die lokalen Behörden beschlossen, das Camp Bira in Bihać zu schließen und die dort lebenden PoM in das damals bereits überbelegte und nicht ausreichend mit Trinkwasser und Strom versorgte Camp Lipa zu bringen. Infolgedessen lebten 2000 Menschen in dem für etwa 1500 Personen ausgelegten Camp. Entsprechend katastrophal lassen sich die Zustände beschreiben: In großen Zelten mussten mehrere Menschen teilweise in einem Bett mit einer Decke schlafen, es gab kein warmes Wasser und lediglich fünf Duschen. Durch die räumliche Enge und die hygienisch mangelhaften Bedingungen konnten sich die Menschen nicht vor Krankheiten wie Krätze schützen. Nicht selten hatten PoM stark infizierte Wunden, die mit Antibiotika behandelt werden mussten. Immer wieder haben Organisationen, wie Amnesty International, Human Rights Watch und Blindspots, darauf aufmerksam gemacht, dass in den sogenannten Aufnahmezentren, wie Lipa, keine vernünftige und winterfeste Versorgung gegeben ist. Obwohl die Menschen durch die COVID-19-Pandemie in besonderem Maß gefährdet sind, haben die nötigen Verbesserungen der hygienischen und medizinischen Bedingungen lange auf sich warten lassen. Kurzzeitig richtete sich im Dezember 2020 die mediale Aufmerksamkeit auf die Lage flüchtender Menschen an der bosnischen EU-Außengrenze, als die Zelte des Lipa Camps niederbrannten und die nun vollends obdachlos gewordenen Menschen tagelang in den schneebedeckten Überresten ausharrten. Von Seiten der EU wurde Bosnien und Herzegowina lediglich gemahnt „Migration besser zu managen“ und die humanitäre Katastrophe auf das Versagen der bosnischen Behörden geschoben, anstatt die eigene Rolle in dem unmenschlichen System der geschlossenen Grenzen und gewaltvollen Pushbacks zu reflektieren. Am 19. November 2021 wurde eine Wiedereröffnung des Lipa-Camps „gefeiert“. Seit Wochen wurde dieser Termin, aufgrund von Bauarbeiten verschoben. Der Anschluss des Stromnetzes war zur Eröffnung noch immer nicht fertig gestellt.
Aufgrund der desaströsen Zustände in offiziellen Camps, aber auch des Wunsches nach Selbstbestimmung leben viele PoM in sogenannte Squats [2]. Diese befinden sich oft in verlassenen Häusern, Bauruinen oder in Zelten in den sogenannten Jungles [3]. Ohne Strom, Heizung, Sanitäranlagen und mit nur sehr eingeschränktem Zugang zu Wasser wohnen die PoM in selbsterrichteten Zelten und Lagern, meist gebaut aus Plastikplanen. Umliegende Flüsse und Seen bieten oft den einzigen dauerhaften Zugang zu Wasser, das sowohl zum Trinken als auch zum Kochen und Waschen verwendet wird. Das Wasser ist oft verschmutzt und stellt damit ein hohes gesundheitliches Risiko dar. Häufig klagen Menschen über Verdauungs-, Nieren-, Muskel- und Gelenkprobleme. Die langfristigen gesundheitlichen Folgen sind dabei noch nicht absehbar. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern oder Arztpraxen bleibt People on the Move verwehrt. Die Unterstützung und Versorgung der Menschen in Squats wird daher meist von Freiwilligen und großen humanitären Organisationen übernommen. Aufgrund der Kriminalisierung von solidarischen Hilfsstrukturen ist eine adäquate Unterstützung jedoch nicht ausreichend möglich.
Zudem sind People on the Move auch in inoffiziellen Strukturen großen Repressalien ausgesetzt. Gerade in den Sommermonaten 2021 fanden wiederholt wöchentlich Zwangsräumungen (Evictions[4]) statt. Die Rechte auf Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung werden damit systematisch angegriffen. Die Räumungen werden durch bosnische Polizei- und Sicherheitskräfte durchgeführt. In den Sommermonaten rückten diese in den frühen Morgenstunden an und zwangen Squatbewohner, die sich nicht rechtzeitig verstecken konnten, mit Bussen ins Lipa Camp zu überzusiedeln. Das persönliche Hab und Gut der Menschen wird anschließend verbrannt oder im Müll entsorgt. Die geräumten Gebäude, in denen Menschen gelebt haben, werden vergittert, abgesperrt und regelmäßig patrouilliert, um einen erneuten Bezug durch Schutzsuchende Menschen zu verhindern. Doch bereits kurz nach dem erzwungenen Transfer nach Lipa machten sich viele PoM zu Fuß auf den Weg zurück nach Bihać – bei Schnee, sengender Hitze oder Regen. Selbstbestimmung und eine gewisse „Freiheit“ zu haben, erscheint vielen wichtiger als die „Vorzüge“ der Camps. Leider ist auch der Weg zurück nach Bihać häufig von Gewalt geprägt. Vereinzelt warten Spezialeinsatzkräfte vor der Stadt, die die Menschen gewaltsam von einer Rückkehr nach Bihać abhalten sollen.
Die regelmäßigen Räumungen von inoffiziellen Camps und Squats stellen auch solidarische Unterstützungsorganisationen vor Herausforderungen. Die Kriminalisierung solidarischer Strukturen erschwert die Arbeit mit People on the Move enorm, denn die Repressionen durch die bosnische Polizei sind täglich spürbar. Personen, die sich mit Menschen auf der Flucht solidarisch zeigen sind verstärkt von Kontrollen und Einschüchterungsversuchen seitens der Behörden betroffen. Während Menschen mit EU Pass lediglich einen Landesverweis erhalten, sind die Risiken für bosnische Personen, auch auf gesellschaftlicher Ebene, wesentlich weitreichender. An Eviction-Tagen ist die Polizeipräsenz besonders hoch. Die Kriminalisierung dient als zentrales Instrument der Einschüchterung, um die Unterstützung für People on the Move zu verhindern.
Folglich ist beim Verteilen von Lebensmitteln und NFIs [5] die Atmosphäre häufig von Vorsicht und Unsicherheit geprägt. Die Essensverteilung soll rasch gehen, da das Auto mit den Lebensmitteln entdeckt werden könnte. Dies führt dazu, dass die wichtige Zeit für zwischenmenschliche Kontakte fehlt. Repression und Unsicherheit sind immer präsent, selbst wenn es nur darum geht, mit PoM gesehen zu werden, etwa bei einer einfachen Unterhaltung oder einem Spaziergang.
Die Grenzpolitik von Bosnien und Herzegowina wird von der EU mit Geldern unterstützt: Seit 2015 hat die EU rund 90 Millionen Euro für den Ausbau der Infrastruktur und der Notunterkünfte für PoM bereitgestellt. Ziel dabei ist es, das Migrations- und Grenzmanagement in Bosnien und Herzegowina zu stärken. Dies bedeutet eine Auslagerung der Verantwortung für die Versorgung Schutzsuchender von der EU nach Bosnien und Herzegowina und resultiert darin, dass mehr Menschen unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern untergebracht werden und gewaltvoll am Überqueren der EU-Grenzen gehindert werden.
Einen Teil der Unterstützungsgelder ging an Hilfsorganisationen wie Save the Children oder den Dänischen Flüchtlingsrat. Der Großteil des Geldes floss jedoch in die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Bosnien und Herzegowina: Seit Juni 2018 erhielten die Organisation insgesamt 76,8 Millionen Euro, womit unter anderem das Lipa Camp finanziert wurde. Unter anderem sollte mit diesem Geld auch die Unterstützung von Schutzsuchenden in Bosnien und Herzegowina während der Covid-19-Pandemie gewährleistet werden. Angesichts der überfüllten Lager, räumlicher Enge, Etagenbetten und medizinischer Unterversorgung ist jedoch zu bezweifeln, ob diese Gelder tatsächlich dazu genutzt wurden, die Versorgung der Menschen vor Ort zu verbessern. Für neue Fahrzeuge, Drohnen, Wärmebildkameras und schwere Schutzausrüstung, welche unter anderem zur Überwachung von POM und für Räumungen der inoffiziellen Squats genutzt werden können, haben staatliche Institutionen in Bosnien und Herzegowina 3,4 Millionen Euro bekommen. Die genaue Aufstellung der Nutzung der Mittel liegen derzeit jedoch nicht vor.
Die EU beteiligt sich nicht nur mit finanziellen Ressourcen an dem Aufbau von Camps und Überwachungsstrukturen, sondern spendet auch Equipment. Im Juli 2021 erhielt die bosnische Grenzpolizei Fahrzeuge im Wert von etwa 1,5 Millionen Euro, staatliche Ermittlungsbehörde SIPA erhielt Ausrüstung im Wert von 230.000 Euro. Bereits 2019 erhielt Bosnien und Herzegowina einmal mehr neue Fahrzeuge im Wert von 124.000 Euro.
Finanzielle Unterstützung kann ein Mittel sein, um Staaten zu unterstützen. Es kann ein Weg sein, neue gesellschaftliche Perspektive zu erschaffen. Doch an dieser Militarisierung der europäischen Grenzpolitik verdienen vor allem europäische Rüstungsunternehmen. Auch für den Zeitraum von 2021 bis 2027 möchte die EU-Kommission weitere 8 Milliarden Euro bereitstellen, um Staaten beim Ausbau der Grenzsicherung zu unterstützen. Der Grenzschutzagentur Frontex wurde zuletzt ein Budget von 5,6 Milliarden Euro bis 2027 zugesichert. Dieses Geld könnte auch in Schulen und Krankenhäuser investiert werden, die für die Grundversorgung der lokalen Bevölkerung wie auch von PoM wichtig sind.
Das Resultat der aktuellen europäischen Migrations- und Grenzpolitik ist eine Sackgasse, in der (Bewegungs-)Freiheit immer stärker eingeschränkt und Menschen systematisch unterdrückt und ihrer Grundlegenden Rechte beraubt werden.
Was könnt ihr machen?
Macht auf die Situation aufmerksam!
Mensch muss nicht nach Bosnien und Herzegowina, Serbien, Griechenland oder in andere Regionen fahren, um Solidarität zu zeigen.
Informiert euch und diskutiert miteinander!
Hinterfragt das System, in dem wir uns befinden. Hinterfragt die europäische Asylpolitik. Hinterfragt und seid kritisch. Das ist ein zentraler Punkt, der zu häufig unterschätzt wird.
Versucht gemeinsam mit anderen Menschen, Druck auf die Regierungen aufzubauen!
Sucht euch Vereine oder Kollektive in eurer Umgebung, mit denen ihr aktiv werden könnt. Startet Aktionen oder unterstützt Organisationen an den EU-Außengrenzen finanziell. Erhebt eure Stimme und steht für ein anderes Miteinander ein!
Ihr wollt mehr zu diesem Thema erfahren?
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[1] People on the move (PoM) – ist ein übergeordneter Begriff, der alle Menschen umfasst, die auch unter die Kategorien der Geflüchteten, Asylsuchenden, Schutzsuchenden, migrierenden Menschen etc. fallen. Der Begriff fokussiert, dass es sich um individuelle Personen handelt und betont, dass sich die Menschen in Bewegung befinden, ein Ziel haben und weiterkommen möchten
[2] Squats – (englisch „Unterschlupf/besetztes Haus“) selbstorganisierte Unterkünfte, wo sich People on the Move aufhalten
[3] Jungle – (englisch „Dschungel“) steht für einen Raum abseits der Stadt; bezeichnet meist Wälder oder Unterholz
[4] Eviction – (englisch “Räumung, Vertreibung”) Zwangsräumungen von selbstorganisierten Squats
[5] NFI – (englisch non-food-items) steht für benötigte Güter wie Kleidung, Zelte, Schlafsäcke, Feuerholz (mit Ausnahme von Lebensmitteln)