Reflexion

Online-Begleitung für Freiwillige an Europas (Außen-)Grenzen

 

10. Reflexion & Verarbeitung der
Freiwilligenarbeit

 

Die Freiwilligenarbeit vergeht meist so schnell und ist so erlebnisreich, dass oft keine Zeit für eine intensive Beschäftigung mit der eigenen Arbeit und einer Reflexion dessen bleibt. Wieder zurück zu Hause in der vertrauten Umgebung oder bei einer Auszeit können daher viele Gedanken auf einmal auf dich einprasseln. Die Verarbeitung des Erlebten kann einige Zeit und Emotionen in Anspruch nehmen. Wir haben hier einige Möglichkeiten für dich, die dir bei der Verarbeitung und Reflexion helfen könnten. Schau dir einfach die verschiedenen Ideen an und suche dir etwas Passendes für dich aus.
 
 
 
 

Die Zeit danach

Was kann auf dich zukommen?

Nach Hause fahren, Sachen packen, sich von Menschen verabschieden und dann ab in den Zug oder in den Flieger - das klingt einfacher, als es oft ist. In der Projektarbeit als Freiwillige*r hört, sieht und erlebt man häufig so viel, dass manchmal nur wenig Zeit zum Hinsetzen, tief Durchatmen und Verarbeiten bleibt.

Es kann sein , dass du wiederkommst und dich direkt wieder in deinen Alltag einfindest. Vielleicht bist du sogar sofort motiviert, dich auch zurück zu Hause weiter für die Belange der Menschen, mit denen du gearbeitet hast, einzusetzen, für ihre Rechte zu demonstrieren, deine Mitmenschen über die Situation aufzuklären oder Organisationen vor Ort oder in deiner Stadt zu unterstützen.

Es kann aber auch passieren , dass du erst einmal eine Weile brauchst, um all das Erlebte und Gesehene zu verarbeiten. Vielleicht beschäftigen dich einige Gedankens sogar stärker, als du es im Vorhinein oder während der Projektarbeit erwartet hättest.


Mit diesem Problem bist du keinesfalls allein!

  • Im Laufe der vergangenen Jahre haben wir von Brückenwind uns mit vielen Menschen unterhalten, die im aktuellen Kontext der humanitären Hilfe und aktivistischen Unterstützungsarbeit an den europäischen Außengrenzen tätig waren. Viele berichten davon, wie schwer es ihnen fiel, nach einer solch intensiven Zeit zurückzukommen und im Alltag weiterzumachen, wo man aufgehört hatte.

  • Viele fühlten sich plötzlich von ihrer Umwelt und sogar von ihren Freund*innen und Familien durch die gemachten Erfahrungen abgeschnitten. Sie berichteten davon, sich in ihrem Job, ihrem Studium oder ihrer Ausbildung fehl am Platz oder sogar nutzlos zu fühlen. Weltschmerz, Frust und das Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung angesichts dieser immensen Menschenrechtsmissachtungen an Europas Grenzen werden hier immer wieder beschrieben. Dazu kommen die Bekanntschaften mit Menschen in extrem vulnerablen Lebenssituationen, die man häufig ungewiss zurück lassen muss. Eine Reise "zurück" konfrontiert Freiwillige und Aktivist*innen häufig mit ihren eigenen Privilegien, wie sie sie vorher noch nie erlebt haben.


 
 

Vorschläge zur Reflexion und Verarbeitung

Was kannst du tun?


Nimm deine Gedanken ernst und kümmere dich um dich!

  • Da diese Gedanken und Gefühle vermutlich nicht einfach so verschwinden, empfehlen wir dir, dir aktiv Zeit und Raum für die Verarbeitung und Reflexion deiner eigenen Erfahrungen zu nehmen, um daraufhin zu überlegen, was für Konsequenzen du daraus ziehen möchtest.
  • So simpel es auch klingt: Es kann sehr hilfreich sein, deine Gedanken und Gefühle einmal auf Papier festzuhalten oder auf irgendeine andere Art, in der du dich ausdrücken möchtest, zu thematisieren und kommunizieren.

Wir haben dir für diesen Reflexions- und Verarbeitungsprozess ein paar Anregungen und Vorlagen bereitgestellt.
  • Klicke dich durch die verschiedenen Impulse und schau, welches Format für dich passend sein könnte.
  • Vielleicht kommen dir ein paar unserer Ideen erst einmal etwas seltsam vor, aber aus unserer Erfahrung können wir sagen: Wenn du versuchst, dich ein bisschen darauf einzulassen, kann dir allein das Verschriftlichen und “Aussprechen” einiger Gedanken dabei helfen, alles ein bisschen besser zu ordnen, zu verstehen und zu verdauen. Dieser Prozess kann dir Energie zurückgeben, die du anderweitig wieder einsetzen kannst.
Austausch

  • Ein Austausch über das Erlebte ist in jedem Fall wichtig. Deinem Umfeld von der Situation vor Ort und deiner Arbeit zu berichten, hilft nicht nur dabei, diesem wichtigen Thema in deinem Umfeld zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.
  • Es kann dir helfen, anderen von deinen Eindrücken zu berichten und so auch im Gespräch Erlebnisse zu verarbeiten und Gedanken zu sortieren. Dabei kann es in Gesprächen mit Familie und Freund*innen vorkommen, dass du dich nicht ganz verstanden fühlst oder dir wichtige Worte fehlen, um dich richtig zu erklären.
  • Daher empfinden wir es als besonders hilfreich, sich vor allem auch mit Menschen zu vernetzen und auszutauschen, die ähnliche Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit gemacht haben. Du wirst hier besonders schnell feststellen, dass viele Gefühle und Gedanken nach der Rückkehr ähnlich sind und ein gemeinsamer Verarbeitungsprozess dabei helfen kann, sich weniger orientierungslos und vielleicht auch einsam zu fühlen. Bleib also zum Beispiel mit anderen Freiwilligen aus deinen Organisationen in Kontakt und melde dich nach der Rückkehr bei ihnen.
  • Wenn du niemanden hast, an den du dich wenden kannst, kannst du dich für einen Austausch auch bei unserem Team melden!
Brief an unbekannt

  • Es kann vorkommen, dass während der Arbeit Situationen aufkommen oder Geschichten erzählt werden, die du aber aus unterschiedlichen Gründen mit niemandem teilen kannst oder willst. Das können persönliche Geschichten sein, die dir anvertraut wurden, Gefühle, für die du dich eventuell schämst, Konflikte mit einem anderen Menschen oder auch etwas ganz anderes.
  • Dabei sind es vielleicht gerade diese Erlebnisse, die am stärksten auf dir lasten. Um einen Teil dieser Last loszuwerden, kann es helfen, das Erlebte und alle damit einhergehenden Gefühle einmal nur für dich aufzuschreiben.
  • Vielleicht möchtest du dich in einem Brief an jemanden konkretes richten (ohne den Brief abzusenden), vielleicht möchtest du eine Art Tagebucheintrag an dich selbst schreiben, vielleicht richtest du dich an “Unbekannt”, um ein paar deiner Gedanken loszuwerden. Bei allen Versionen gilt: Niemand außer dir soll bzw. muss diesen Brief lesen. Wenn du dich wohler damit fühlst, kannst du ihn auch anschließend vernichten. Es geht nur darum, Gedanken zu sortieren und diese irgendwie “aussprechen”.
Stimmungsgraph

  • Bei dem Stimmungsgraphen geht es darum, dein Wohlergehen, verschiedene erlebte Ereignisse, Gedanken und Gefühle - also kurz: dein grundlegendes Wohlbefinden - das du während der Arbeit bzw. dem Engagement in deinem Projekt hattest, chronologisch in Form eines Graphen darzustellen.
  • Dazu wird auf der X-Achse die Zeit dargestellt, die Y-Achse steht für dein Wohlbefinden, ganz nach deinen Maßstäben.
  • Dabei können sich zum Beispiel besondere Schwankungen und Wendepunkte herauskristallisieren, die du zusätzlich beschreiben kannst, wenn sie beispielsweise an ein besonderes Ereignis geknüpft sind.
  • Diese Visualisierung deines Zustands und deines Wohlergehens kann im Nachhinein dabei helfen, die gesamte Zeit noch einmal “durchzuspielen” und bestimmte “Knackpunkte” herauszufiltern, die dir vielleicht auch im Nachhinein noch zu Schaffen machen.
  • Außerdem ermöglicht es dir diese Darstellung auch, vielleicht besonders positive und eindrucksvolle Momente noch einmal als solche zu bestimmen und nachzuempfinden.
Reflexion der persönlichen Entwicklung

  • Diese Mind-Map kann dir dabei helfen, deine persönliche Entwicklung im Laufe der Freiwilligenarbeit nachvollziehen zu können. Wenn du das Gefühl hast, dich verändert zu haben, und deswegen Schwierigkeiten verspürst, dich in deinem "alten Leben" zurecht zu finden, kannst du durch solch eine Übung deinen eigenen persönliche Entwicklung besser verstehen.
  • Vielleicht bist du besonders stolz auf ein paar Kenntnisse, Fähigkeiten oder Persönlichkeitsentwicklungen, die du im Projekt dazugelernt oder entwickelt hast. Auch negative Entwicklungen für dich einmal ausformulieren kann dir dabei helfen, die Reflexion darüber als Stärke für die Zukunft zu nutzen.
  • Du kannst die Punkte ausfüllen, die dir wichtig erscheinen und nach eigenem Belieben ergänzen:

Idee für deine Mindmap:

Thema 9_ Reflektion & Verarbeitung des Freiwilligenaufenthalts
 
 
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Wir freuen uns sehr über Rückmeldungen und hilfreiche Hinweise von Euch! Schreibt uns einfach eine Email: kontakt@brueckenwind.org

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