Viele Projekte “Internationaler Freiwilligenarbeit” verfolgen in erster Linie kommerzielle Zwecke und verstärken dabei – bewusst oder zumindest fahrlässig – globale Ungleichheiten. Damit setzen wir uns kritisch auseinander!
Internationale Freiwilligenarbeit ist vor allem als eine große Geld-Industrie des Globalen Nordens zu betrachten, anstatt dass Projekte an den Interessen der lokalen Bevölkerung eines Projektstandorts ausgerichtet werden.
Abhängigkeitsverhältnisse zwischen dem Globalen Süden und Globalen Norden, die seit der Kolonialzeit nicht durchbrochen wurden, werden so unter anderem durch internationale Freiwilligenarbeit verstärkt. Große Probleme stellt dabei die ausbleibende Reflektion von Rassismus, (Neo-)Kolonialismus und damit zusammenhängenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen dar.
- Die Freiwilligen-Industrie basiert grundsätzlich auf einem falschen Bild: Menschen in Ländern des Globalen Südens können sozialen Problemen, wie Armut, Bildungsknappheit, mangelhafter Gesundheitsversorgung, Umweltverschmutzung, etc. nicht eigenständig trotzen. Sie sind scheinbar auf die Hilfe bzw. “Rettung” von Menschen aus dem Globalen Norden angewiesen. Der Globale Norden wird dem Globalen Süden gegenüber so als fortschrittlich, einfallsreich und leistungsstark dargestellt.
- Bei dieser stark vereinfachten Erzählung wird die Kolonialgeschichte Europas, die bis heute andauernde Ausbeutung und damit zusammenhängende Verantwortungen für aktuelle Lebensbedingungen komplett missachtet. Außerdem wird der Bevölkerung im Globalen Süden ihre Fähigkeiten und die Expertise darüber, Probleme eigenständig zu lösen, gänzlich abgesprochen. Das ist Rassismus.
- Internationale Freiwillige (in diesem Fall häufig weiße europäische Abiturient*innen) sehen sich dadurch teilweise in der Rolle von Retter*innen (s. White Saviour Complex) einer ihr häufig unbekannten Gesellschaft mit einer ihnen meist unbekannten Geschichte.
- Durch diese verbreitete Wahrnehmung hat internationale Freiwilligkeit insgesamt ein hohes Ansehen in der westlichen Gesellschaft , sodass bereitwillig viel Geld in die Entsendung von Freiwilligen investiert wird. Internationale Freiwilligenarbeit gilt für viele Abiturient*innen (die es sich leisten können) als eine “coole Auslandserfahrung” und einer beeindruckenden Station für den Lebenslauf mit dem Bonus eines guten Gewissens bzw. dem stolzen Gefühl, etwas Gutes getan zu haben..
- Leider gilt häufig: Das viele Geld, das Freiwillige (bzw. ihre Familien) an die Entsendeorganisationen bezahlen, bleibt meist zu großem Anteil im Entsendeland bei den Organisationen selbst. Nur ein Bruchteil der Gelder fließt in die Projekte vor Ort oder auch an die lokalen Partnerorganisationen – und das, obwohl diese die größten Kosten tragen.
- In den lokalen Projekten führt der finanzielle Wohlstand der Freiwilligen, ihre akademische Bildung in einem westlichen Land, aber vor allem die weltweit immer noch präsente Idee weißer Vorherrschaft häufig dazu, dass eine Überlegenheit weißer Freiwilliger gegenüber den lokalen Projektpartner*innen angenommen wird. So werden zum Beispiel ansonsten bezahlte Arbeitsplätze von unqualifizierten Freiwillige ersetzt. In anderen Fällen bestimmen Freiwillige maßgeblich bei Prozessen mit, zu deren Zusammenhang und Hintergrund sie eigentlich gar kein oder nur wenig Wissen haben.
- Problematisch ist es vor allem, wenn die Freiwilligen ihre scheinbare Vormachtstellung so verinnerlicht haben, dass sie ihre Rolle zu keinem Zeitpunkt hinterfragen, sondern eher ausnutzen. Dagegen wollen wir angehen!